Interview von Francine Closener im Tagbelatt

"Luxemburgische Firmen involvieren"

Interview: Tageblatt (Eric Rings)

Tageblatt: Wie steht es um die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Senegal? 

Francine Closener: Wir haben seit über 30 Jahren im Bereich der Entwicklungshilfe gute Beziehungen zum Senegal. Ich glaube, dass sie nun bereit sind, dass wir auch bei den wirtschaftlichen Beziehungen einen Qualitätssprung machen können. Senegal hat eine gute Selbstverwaltung, die Stabilität ist da. Senegal ist eins der afrikanischen Länder, die am produktivsten sind. Die Weltbank klassiert das westafrikanische Land unter diesem Gesichtspunkt unter den Top Ten. Die Bedingungen sind ganz gut. Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten drei Jahren bei über sechs Prozent. Das Land ist reif, um auf eine andere Ebene zu kommen, auch in den Beziehungen mit Luxemburg. Deshalb sind bei dieser Visite viele Unternehmen aus Luxemburg mit nach Senegal gekommen. Wir haben das Wirtschaftsforum veranstaltet und da haben wir festgestellt, dass Interesse auf beiden Seiten besteht. Dort sind viele neue Kontakte geknüpft worden. Senegal hat heute bereits eine sehr gute Infrastruktur im Bereich der Telekommunikation. Man möchte zu einem ICT-Hub werden — zu einer richtigen Referenz in Afrika, was ICT angeht. Ich gehe davon aus, dass sie das in Zukunft in ihrem "Plan Sénégal émergent" (Der PSE sieht vor, Senegal von einem Entwicklungsland zu einem Schwellenland zu führen, Anm. d. R.) unterstützen. Gerade in diesem Bereich hat Luxemburg viel zu bieten. Da wäre zum Beispiel die digitale Unterschrift. Damit könnte Senegal zum Beispiel seine Verfahren entmaterialisieren. Das ist unter anderem ein sehr wichtiger Punkt im Kampf gegen Korruption. Das ist für Senegal ein sehr großer und wichtiger Punkt. Ich habe das Gefühl, als ob die Bevölkerung auch in diese Richtung geht. Ich hatte gestern ein Treffen mit dem für die Umsetzung des PSE zuständigen Minister. Er hat mich gefragt, ob wir nicht über die luxemburgische Kooperation Experten finanzieren könnten, die seinem Land den Rahmen vorgeben könnten, wie sie sich weiterentwickeln sollten. Dazu könnte man auch luxemburgische Unternehmen involvieren. Einige sind ja jetzt schon hier aktiv. 

Tageblatt : Das wirtschaftliche Wachstum sieht man aber noch nicht überall ... 

Francine Closener: Das ist ganz klar. 46 Prozent der Senegalesen leben unter der Armutsgrenze. Man kann optimistisch sein, weil sie viele Anstrengungen unternehmen und weil es in die richtige Richtung geht. Man muss auch realistisch sein, das geht nicht alles von heute auf morgen. Luxemburger Unternehmen, die schon länger hier im Senegal aktiv sind, haben eine ganze Reihe von Problemen aufgezählt. Zum Beispiel beim Thema Besteuerung. Da sind wir froh, dass ihre Regierung nun, nachdem sie uns zwei Jahre lang mit Versprechungen vertröstet hat, den Beschluss gegen die Doppelbesteuerung endlich durch den "Conseil des ministres" gebracht hat. Das ist ein großer Fortschritt, aber solche Sachen gibt es noch mehr. 

Tageblatt : Carole Dieschbourg meinte, Europa. habe eine gewisse Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent. Unser wirtschaftliches Wachstum gehe oft auf Kosten des Südens. Können Sie das bestätigen? 

Francine Closener:  Wir waren auf der sogenannten "Sklaveninsel" Gorée. Das lässt niemanden kalt. Da sieht man die Schuld, die wir alle gegenüber Afrika haben. Heute sprechen wir viel über Flüchtlinge. Ich glaube, wenn wir hier helfen, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, das Wachstum pushen und den jungen Leuten Perspektiven geben, dann ist dies das richtige Mittel. Niemand will freiwillig seine Heimat verlassen. Jeder ist froh, wenn er bei sich zu Hause sein Leben machen kann. Und ich bin überzeugt davon, dass man hier auf dem richtigen Weg ist. Auch wenn das noch dauert. Sie haben die Möglichkeiten, sie treiben große Infrastrukturprojekte voran, wie den neuen Flughafen, die Autobahnen oder den regionalen Schnellzug, der dabei ist, gebaut zu werden. Es ist von großer Wichtigkeit, dass diese Infrastrukturprojekte entstehen und sich weiterentwickeln. Wichtig ist auch, dass diese Maßnahmen langfristig weitergeführt werden und nicht davon abhängig sind, wer in Zukunft die Regierung stellt. Das hat der Präsident verstanden. Das wird langfristig der richtige Weg sein. Aber Sie haben recht — wenn man die Bevölkerung heute sieht, dann gibt es schon eine große Diskrepanz. 

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