Interview von Lex Delles im Luxemburger Wort

"Luxemburg hat sehr viel zu bieten"

Interview: Luxemburger Wort (Patrick Besch)

 

Luxemburger Wort: Lex Delles, sind Sie als Tourismusminister auch für den Tanktourismus zuständig? 

Lex Delles: Nein, dafür sind meine Kollegen aus den Energie-, Wirtschafts- und Umweltministerien zuständig. 

Luxemburger Wort: Wenn nicht für den billigen Treibstoff, warum sollte man dann nach Luxemburg kommen? 

Lex Delles: Luxemburg hat sehr viel zu bieten. Genau diesen Aspekt wollen wir auch mit unserer Kampagne 'Vakanz doheem' unterstreichen: Den Menschen in Luxemburg und der Großregion die Vielfalt zeigen, die das Land zu bieten hat. Ob die Moselregion im Osten, den Norden, das Müllerthal, den durch seine industrielle Vergangenheit gezeichneten Süden, das Tal der Sieben Schlösser oder die Hauptstadt, auf einem sehr kleinen Gebiet gibt es sehr viel zu sehen. 

Luxemburger Wort: Verbringen Sie auch Ihre 'Vakanz doheem'?

Lex Delles:  Dieses Jahr werde ich vier Tage im Norden, genauer gesagt in Vianden, verbringen. Ich werde meinen Urlaub aber auch dazu nutzen, um Zeit zu Hause zu verbringen und einige Tagesausflüge machen. In Luxemburg kann man nicht nur tolle Landschaften, Infrastruktur und Architektur bestaunen, sondern man kann auch viel erleben. Auch diese Erlebnisse müssen wir sichtbarer machen. 

Luxemburger Wort: Und Ihr Geheimtipp für jeden Touristen? 

Lex Delles: Im Naturreservat „Giele Botter" nahe Differdingen taucht man in eine andere Welt ein. Auch eine Runde um das Biodiversum in Remerschen macht mir viel Spaß. Besonders wohl fühle in mich aber im „Wouerbësch" in Bad Mondorf, mitten in der Natur. 

Luxemburger Wort: Was muss sich am Tourismusangebot denn noch verbessern? 

Lex Delles: In den vergangenen Jahren haben wir schon einen großen Sprung nach vorne gemacht. Mit der Tourismus-Argentur 'Luxembourg for Tourism' haben wir an der, Sichtbarkeit Luxemburgs als Tourismusziel gearbeitet. Die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure, etwa den Offices régionaux de tourisme, hat sich verbessert. Der Sektor lebt zudem von freiwilligen Helfern. Diesen gilt es, verstärkt unter die Arme zu greifen. Im Regierungsabkommen haben wir zudem eine Reihe von Feldern definiert, die wir weiterentwickeln wollen, etwa den Aktivtourismus. In den vergangenen Jahren ist viel im Bereich des Der Staat muss die Bedingungen schaffen, damit sich ein Geschäftsleben entwickeln kann, Wandertourismus geschehen. Jetzt werden wir uns ebenfalls vermehrt um den Fahrradtourismus kümmern. Die Digitalisierung ist auch ein wichtiger Aspekt. Wir werden eine Tourismusapp entwickeln, auf der Touristen alle Informationen zum Tourismusangebot hierzulande erhalten können. 

Luxemburger Wort: Für viele Touristen bleibt das Finden einer Übernachtungsmöglichkeit in Luxemburg eine der größten Herausforderungen. Kann dieses Problem, angesichts der mehr als angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt, überhaupt gelöst werden?

Lex Delles: Wir befinden uns hier auf dem Gebiet der Privatwirtschaft, ein Hotel bleibt ein privater Dienstleister. Dort, wo eine Nachfrage ist, entsteht auch ein Angebot. Eine Reihe von Unternehmen werden in den kommenden Jahren in neue oder schon bestehende Hotels investieren. Das Angebot wird sich also vergrößern. Gleichzeitig.wollen wir außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten schaffen, um jene Touristen nach Luxemburg zu locken, die genau danach suchen. Ein sehr interessantes Projekt sind zum Beispiel die 'Mushrooms' in Useldingen. Auch hier werden wir zusätzliche Anreize schaffen, damit noch weitere solch authentischer Unterkunftsmöglichkeiten verwirklicht werden. Ob in einem Wasserturm oder einem Zugwaggon, solche Übernachtungsinfrastrukturen wollen wir weiter mit unseren Partnern entwickeln.

Luxemburger Wort: Trotz hoher Anfrage schließen viele kleinere Hotels, oftmals Familienunternehmen, ihre Türen. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen? 

Lex Delles: Kleine Familienbetriebe müssen sich anderen Herausforderungen stellen als große Unternehmen. Für sie spielt besonders der Aspekt der Übernahme, also der Betriebsfortsetzung eine große Rolle. Es ist wichtig, dass sich die Unternehmer früh mit diesen Fragen auseinandersetzen. Im fünften Aktionsplan für kleine und mittelgroße Unternehmen ist vorgesehen, neue Mechanismen zu schaffen, damit die Nachfolgerfrage früher als ein paar Wochen vor der Rente gestellt wird. 

Luxemburger Wort: Für einen guten Tourismus ist auch eine gute Infrastruktur erforderlich. Die Regierung hat im Koalitionsabkommen angekündigt, den Einzelhandel in den Innenstädten wiederzubeleben.  Gleichzeitig schießen überall neue Einkaufszentren in die Höhe. Fehlt es hier nicht an einer globalen Strategie? 

Lex Delles: Auf jeden Fall muss man verhindern, den einen gegen den anderen auszuspielen. Auch hier richtet sich das Angebot nach der Anfrage. Ein großes Einkaufszentrum hat einen anderen Charme als ein Laden in einer Einkaufsstraße. Beide sprechen unterschiedliche Kunden an. Die Rolle des Staats ist es, interessierten Geschäftsleuten die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, wo welches Angebot gerade gefragt ist. Mit der Confédération luxembourgeoise du commerce haben wir gerade ein Pilotprojekt im Bereich des Leerstandmanagements gestartet. Zusammen mit den Gemeinden arbeiten wir daran, dass die Infrastrukturen ein Geschäftsleben erleichtern, etwa indem wir Transportmöglichkeiten in die Geschäftsstraßen schaffen. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass wir uns auf dem freien Markt befinden, dass also niemand zu etwas gezwungen werden kann. Der Staat muss die Bedingungen schaffen, damit sich ein Geschäftsleben entwickeln kann. 

Luxemburger Wort: Im Regierungsabkommen ist auch eine Liberalisierung der Öffnungszeiten angekündigt. Wie weit sind Sie mit diesem Projekt? 

Lex Delles: In erster Linie geht es darum, Klarheit zu schaffen. Das aktuelle Gesetz definiert nur die Schließungszeiten. Bei meinem Amtsantritt war ich erstaunt darüber, wie viele Unternehmen eine Ausnahmeerlaubnis für ihre Öffnungszeiten anfragen. Ein gutes Gesetz sieht anders aus. Die Ausnahmefälle müssen zur Regel werden. Im Herbst werden wir uns mit allen Vertretern des Sektors zusammensetzen, um eine gemeinsame Linie zu finden. Hoffentlich können wir das neue Gesetz schon zu Beginn des kommenden Jahres vorstellen. 

Luxemburger Wort: Gibt es denn schon konkrete Ansätze? 

Lex Delles: Natürlich habe ich persönliche Vorstellungen und Ideen. Doch das neue Gesetz soll im Dialog mit den Betroffenen und im Einklang mit dem Arbeitsrecht entstehen. Wer den digitalen Zug verpasst, der wird es in Zukunft sehr schwer haben, sich noch über Wasser zu halten. Die Reform der Öffnungszeiten muss auch im Sinne der Belebung des Geschäftsleben sein. Es ist problematisch, wenn ein Geschäft seine Türen um 18 Uhr schließen muss, die meisten Kunden aber zwischen 19 und 20 Uhr einkaufen wollen. 

Luxemburger Wort: Eine Regularisierung im Bereich der Sharing Economy wurde ebenfalls festgehalten. Wie sieht es mit diesem Vorhaben aus? 

Lex Delles: Sharing-Economy-Dienste wie etwa AirBnB können einen Mehrwert darstellen, aber nur, wenn sie richtig eingesetzt werden. Sie können ein Zusatzangebot zu den bereits bestehenden Infrastrukturen darstellen. Auch hier muss man unterscheiden zwischen den Leuten, die dies im Sinne der Sharing Economy tun, und den Leuten, die solche Dienste nutzen, um als Professionelle einen Nutzen daraus zu ziehen. Dies führt zu unlauterem Wettbewerb, was wir unterbinden müssen. 

Luxemburger Wort: Mit Mamer hat die erste Gemeinde in Luxemburg eine Übernachtungssteuer eingeführt, auch um gegen Dienste wie gerade Airßnß vorzugehen. Was halten Sie davon? 

Lex Delles: Auf keinen Fall werde ich mich in die Autonomie einer Gemeinde einmischen. Wir dürfen jedenfalls im Rahmen der Sharing Economy nicht zulassen, dass unlauterer Wettbewerb betrieben wird. Ein Hotelbetreiber muss eine Reihe von Auflagen erfüllen, um überhaupt sein Geschäft betreiben zu dürfen. Menschen, die das Vermieten von Zimmern über Sharing-Economy-Dienste zu ihrem Beruf machen, müssen auch dazu angehalten werden, die gleichen Bedingungen zu erfüllen. 

Luxemburger Wort: Auch die Tourismusbranche spürt den Fachkräftemangel. Wie wollen Sie dieses Problem lösen? 

Lex Delles: Es gibt nicht den einen Lösungsansatz, sondern eine Reihe von unterschiedlichen Wegen. Zum einen müssen wir den Wert von Fachkräften wieder verstärkt betonen, etwa dem Handwerker. Der Handwerker von heute ist nicht mehr jener von gestern, er kann sich selbst und seine Ideen verwirklichen, vom Lehrling bis zum Geschäftsführer alles erreichen. Diese Aspekte müssen wir nach außen hin zeigen. Es gilt dabei nicht nur, die jungen Menschen zu sensibilisieren, sondern auch die Eltern. Eine andere Frage ist die der Grenzgänger. Wie können wir genügend Fachpersonal aus dem nahen Ausland nach Luxemburg locken? Hier setzen wir auch auf eine breite Zusammenarbeit mit allen betroffenen Ministerien. Wir werden auch vermehrt auf Umschulungen und Weiterbildung setzen, was ebenfalls ein interessanter Lösungsansatz ist. Mit den Parallelausbildungen hat das Bildungsministerium zudem neue Wege im Ausbildungswesen eingeschlagen, die auch vielversprechend sind.

Luxemburger Wort: Leidet das Handwerk unter einem Imageproblem?

Lex Delles: Von den Handwerkern über die Journalisten bis hin zu den Politikern: Jede Berufsgruppe muss an ihrem Image arbeiten. Dabei kann man sich gerade im Handwerk selbst verwirklichen. Jeder sollte das tun, auf was er" Lust hat und was ihm Spaß macht. Als Lehrer habe ich die Erfahrung oft gemacht wenn ein Schüler wirklich einen handwerklichen Beruf ergreifen will, soll man ihn auf gar keinen Fall daran hindern und ihm einen anderen Weg, etwa ein Universitätsstudium, aufzwingen. 

Luxemburger Wort: Für viele kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) ist das Logement-Problem ebenfalls eine oftmals bittere Realität. Wie wollen Sie das lösen? 

Lex Delles: Eine der Lösungen liegt in der Verdichtung der Gewerbezonen. Daran arbeiten wir zusammen mit dem Umwelt- und Landesplanungsministerium sowie mit den Gemeinden. Wie auch in den überarbeiteten sektoriellen Leitplänen gilt es, das bestehende Land so intelligent und effizient wie möglich zu mobilisieren. Handwerker von heute ist nicht mehr jener von gestern. 

Luxemburger Wort: Die Probleme der kleinen und mittelgroßen Unternehmen sind vielfältig, genauso ihre Ursachen. Können Sie als Mittelstandsminister da überhaupt viel bewegen? 

Lex Delles: Natürlich kann ein Einzelner diese Probleme nicht lösen, man muss sie transversal angehen, will man eine erfolgreiche Lösung finden. Genau das tun wir auch. Wir sind eine Regierung, die zusammen, Hand in Hand, handelt. 

Luxemburger Wort: Müsste man nicht auch enger mit den Partnern der Großregion zusammenarbeiten? Diese Zusammenarbeit könnte ein entscheidender Teil der Lösung sein, im Regierungsabkommen wird sie jedoch kaum angeschnitten. Außerdem wirken sich die luxemburgischen Probleme immer stärker auf die Einwohner der Großregion aus. 

Lex Delles: Mit Corinne Cahen (DP) verfügt die Regierung über eine sehr kompetente Ministerin, die für die Großregion zuständig ist. Sie ist sehr aktiv um die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren bemüht. Auch in allen anderen Ministerien spielt diese Kooperation eine zentrale Rolle.  Wichtig scheint mir eine Dezentralisation, auf die wir auch bei der Überarbeitung der sektoriellen Leitpläne geachtet haben. In diesem Zusammenhang sind auch die sogenannten „Co-workingspaces" entlang den Landesgrenzen eine interessante Alternative. Hier können Mitarbeiter einer Firma, die etwa ihren Sitz in der Hauptstadt hat, mehrere Tage die Woche arbeiten, sodass sie sich die langen Wege sparen können. 

Luxemburger Wort: Auch im Bereich der Digitalisierung gibt es für viele KMUs mitunter schlechte Noten. Wie wollen Sie dem entgegensteuern? 

Lex Delles: Als Erstes müssen wir alle Unternehmen sensibilisieren, auf den digitalen Zug aufzuspringen. Während einige Betriebe schon sehr gut aufgestellt sind, weisen andere enorme Rückstände auf. Mit 'GoDigital' oder 'Fit 4 Digital' verfügen wir zudem schon über zwei Programme, die Unternehmen sehr gut unter die Arme greifen können. Die Einkaufsplattform 'LetzShop' ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die Regierung, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden, dem Einzelhandel dabei helfen kann, sich neu auszurichten. Zum einem ermöglicht sie den direkten Verkauf von Waren, zum anderen hilft es vielen Unternehmen beim Prozess der Digitalisierung, indem sie den Geschäften eine Präsenz im Internet ermöglicht. Der dadurch entstehende ROPO-Effekt (Research online, Purchase offline) kommt dabei dem Einzelhandel zudem stark entgegen. 

Luxemburger Wort: Was droht den Betrieben, die die Digitalisierung verschlafen? 

Lex Delles: Wer den digitalen Zugverpasst, der wird es in Zukunft sehr schwer haben, sich noch über Wasser zu halten. 

 

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