Interview mit Franz Fayot im Luxemburger Wort

"2020 war kein verlorenes Jahr"

Interview: Luxemburger Wort (Marco Meng)

Luxemburger Wort: Franz Fayot, kaum im Amt fanden Sie sich mitten in einer handfesten Krise wieder und die Corona-Pandemie ging los. Was war der schwerste Moment?

Franz Fayot: Ja, ich war gerade mit dem Finanzminister auf meiner ersten Reise in Italien, als der Covid-Tsunami auf uns einschlug. Von da ab war meine Tätigkeit vor allem Krisenmanagement, da alles von der Pandemie dominiert wurde. Einen schwersten Moment gab es nicht, aber die ganze Periode war schwer, weil sich alles schlagartig änderte. Im Gegensatz zu meinem Vorgänger, der viel gereist ist und das Land nach außenvertreten hat, gab es das bei mir von einem Tag zum anderen nichtmehr, alle geplante Missionen mussten gestrichen werden.

Luxemburger Wort: Wie viele Corona-Hilfen wurden bislang ausbezahlt? Und waren Sie überrascht, wie teuer die Kurzarbeiterzahlungen wurden?

Franz Fayot: Um den sofortigen Liquiditätsbedarf der Unternehmen zu decken oder zur Förderung von Forschung und Investitionen zur Bekämpfung von Covid-19 hat das Wirtschaftsministerium seit Anfang der Krise um die 0 Millionen Euro an direkten und indirekte Beihilfen ausbezahlt. Die 175 Millionen Euro für das staatliche Garantiesystem für neue Bankkredite nicht mitgerechnet. Hinzukommt natürlich auch noch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit durch die Unternehmen. Zwischen März und Juli 2020 belief sich das Kurzarbeitergeld auf fast 450 Millionen Euro. Die Ausgaben diesbezüglich sind absolut gerechtfertigt, da sie besonders in den stärker von der Pandemie betroffenen Wirtschaftszweigen dazu beitragen, dass Unternehmen kein Personal entlassen müssen.

Luxemburger Wort: Nach der Pandemie ist es aber nicht vorbei: fürchten Sie eine Pleitewelle?

Franz Fayot: 2020 gab es nicht mehr Pleiten als im Jahr davor, wofür es zwei Erklärungen gibt: mit dem ersten Lockdown hatten wir die Fristen, in denen Insolvenzen angemeldet werden müssen, aufgehoben, zum anderen konnten viele Betriebe durch die ausgezahlten Staatshilfen stabilisiert werden. Aber in den Branchen, die stark betroffen und wo die Betriebe wenig liquide sind, wie Horesca, die Tourismus und die Veranstaltungsbranche, rechnen wir für dieses Jahr mit mehr Insolvenzen.

Luxemburger Wort: Sind Geschäftstourismus und Veranstaltungen wie Messen, die ja ein Teil der Luxemburger Wirtschaftsstrategie sind, durch die Pandemie infrage gestellt?

Franz Fayot: Es ist zu erwarten, dass – auch wenn mehr Menschen geimpft sind – wir nicht gleich wieder von null auf hundert zurück zur bislang gekannten Normalität kommen. Aber irgendwann wird es wieder Kongresse und Seminare geben, wo die Menschen auch physisch wieder zusammenkommen. Der persönliche Kontaktbleibt in der Wirtschaft dennoch wichtig und kann nicht vollkommen durch virtuelle Kontakt ersetzt werden.

Luxemburger Wort: Die Krise hat aber auch vielen gezeigt, wie hilfreich die digitalen Möglichkeiten sind, von Home Office bis zu virtuellen Meetings. Länder wie Taiwan oder Südkorea sind da trotzdem einige Schritte weiter als wir. Holen wir das nach der Krise auf?

Franz Fayot: Durch die Krise und zum Beispiel durch die Teletravail, die auch wegen des guten Luxemburger Netzausbaus gut funktioniert, gewinnt die Digitalisierung an Tempo. Auch entstand hierschnell viel Neues, so dass beispielsweise heute bei Gericht online gemacht werden kann, wofür man vorher mit einem Papier persönlich erscheinen musste. Auch alle Covid-Hilfen, die beim Wirtschaftsministerium eingereicht werden, können nur online über MyGuichet angefragt werden, denn sonst könnte die Masse gar nicht bewältigt werden. Auf Guichet.lu gab es letztes Jahr mehr als zwei Millionen Transaktionen. Das Comité de conjoncture, das vorher sehr papierlastig war, hat sich vollkommen digitalisiert. Und in Telemedizin und Onlinehandel wurde ebenfalls schnellumgesetzt, was vorher nur probiert worden war. Aber bei der Digitalisierung insgesamt sind wir weltweit etwa im Mittelfeld und noch nicht da, wo wir hinwollen. Da müssen wir noch einige Anstrengungen machen.

Luxemburger Wort: Wird Luxemburg sich nach der Krise bemühen, eine dauerhafte Lösung zu finden, damit mehr Home Office auch für die Beschäftigten im Land möglich ist, die nicht hier leben, die Grenzgänger? So könnten die täglichen Staus verringert werden.

Franz Fayot: Ich denke ja, das wird diskutiert werden. Der Finanzminister hat ja für die Zeit der Krise mit den Nachbarländern Vereinbarungen getroffen, und Experten meinen, dass auch nach der Krise sich durchschnittlich, je nach Branche, zwei Tage Home Office pro Woche etablieren werden. Dafür müssen die Rahmenbedingungen, rechtlicher und steuerlicher Art, gesetzt werden. Teletravail hat definitiv einige Vorteile, sei es die Entlastung des Verkehrs, mehr Zeit für das Familienleben und auch eine Belebung der Ortschaften, in denen die Arbeitnehmer leben.

Luxemburger Wort: Als Sie Ihr Amt antraten, hatten Sie sicher einige Ideen, die Sie umsetzen wollten und die durch Corona blockiert wurden.

Franz Fayot: Sowohl als Kooperationsminister wie auch als Wirtschaftsminister konnte ich nicht reisen und persönliche Kontakte pflegen; auf der anderen Seite konnte ich mich als Wirtschaftsminister in all die verschiedenen Dossiers gründlich einarbeiten und sitze da jetzt fest im Sattel. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, lokale Lieferketten, Kreislaufwirtschaft, Gesundheitswesen und Forschung, das alles hat aber durch die Pandemie eine Aufwertung erhalten, und mit unserem Programm "Neistart Lëtzebuerg" fördern wir ja die Digitalisierung der Betriebe, was von denen auch gut angenommen wird. Es war also in dieser Hinsicht kein "verlorenes" Jahr.

Luxemburger Wort: Wie wird die Luxemburger Wirtschaft nach der Pandemie aussehen?

Franz Fayot: Ich hoffe, dass wir bis Sommer die vulnerable Bevölkerung geimpft haben und zu einer gewissen Normalität zurückkehren können. Wir werden dann keine radikal andere Wirtschaft haben als wir sie vorher kannten, auch wegen der staatlichen Hilfen. Viele Betriebe haben die Krise darüber hinaus auch als Chance genutzt, um sich neu aufzustellen und werden gestärkt aus der Krise hervorgehen. Anderes werden wir mit der Zeit sehen, zum Beispiel, wie sich der E-Commerce auf den Konsum und die Geschäfte im Land, kleine Läden wie große Einkaufcenter, auswirkt.

Luxemburger Wort: Sie sprachen die Dossiers an, zwei davon sind Google und Guardian. Wie sieht es damit aus?

Franz Fayot: Bei Google ist das PAP (Teilbebauungsplan, d. Red) von der Gemeinde Bissen gestimmt worden, und das Datacenter-Projekt ist auf einer guten Schiene; derzeit laufen die Umweltprüfungen. Was Guardian betrifft, so bin ich in Kontakt mit der Europadirektion des Unternehmens; Reisen nach Amerika zur Konzernzentrale waren ja wegen Covid nichtmöglich, aber auch da werde ich den Kontakt aufnehmen, da wir natürlich wollen, dass Guardian weiterhin in Luxemburg Flachglasproduziert und hier in einen neuen, emissionsarmen Ofen investiert.

Luxemburger Wort: Wie Sie aussehen, sind Sie gut in Form. Sie nahmen sich also auch als Minister die Zeit, weiterhin seilzuspringen?

Franz Fayot: Auf jeden Fall, ich laufe und spaziere auch viel und habe angefangen mit Yoga. Ich komme jetzt ja in ein Alter, wo es immer wichtiger wird, fit zu bleiben.

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