Francine Closener über die Ausrichtung der künftigen Mittelstandspolitik

"Nachhaltiges Wachstum ist Regierungspriorität"

d'handwierk: Mit dem Wechsel von den Medien in die aktive Politik haben Sie innerhalb kürzester Zeit gewissermaßen einen Perspektivenwechsel vollzogen. Sind Sie inzwischen im Wirtschaftsministerium angekommen, insbesondere was den Mittelstand betrifft?

Francine Closener: Auch wenn ich mich in den vergangenen 20 Jahren als Journalistin intensiv mit politischen Themen beschäftigt habe, brauchte ich natürlich eine Einarbeitungsphase. Zum Ersten musste ich mich mit den zum Teil äusserst komplexen politischen Dossiers und den Verwaltungsabläufen der Ministerien vertraut machen. Dieser Prozess ist nun abgeschlossen, die eigentliche politische Arbeit allerdings hat schon längst begonnen. Zum Mittelstand habe ich, wenn man so will, eine familiäre Bindung. Mein Großvater war Schreinermeister und meine Eltern Geschäftsleute. Ich bin also in einem Haus aufgewachsen in dem man weiß, was mittelständische Unternehmen auszeichnet und was sie antreibt, was ihre Sorgen sind und was ihre Verantwortung. Denn gerade der Mittelstand funktioniert in einem Umfeld, das sich ständig wandelt. Darauf muss nicht nur der Mittelstand selbst, sondern auch die Politik reagieren. Genauso wichtig ist es jedoch, vorausschauend zu handeln und die richtigen Weichen zu stellen.

d'handwierk: Das Mittelstandsressort, das bis dato in relativer Eigenständig funktionierte, wurde in das Wirtschaftsministerium integriert. Hat sich diese neue Ressortaufteilung bewährt?

Francine Closener: Absolut! Die Vorteile dieser integrierten Sichtweise der Wirtschaftspolitik sind offensichtlich. Das Mittelstandsressort wurde als Generaldirektion ins Wirtschaftsministerium eingegliedert. Dies erlaubt produktivere Arbeitsbedingungen, eine bessere Koordination und vor allem Synergien. Damit können wir das Mittelstandsressort besser in die globale nationale Wirtschaftsstrategie einbinden. So werden Wirtschaftsmissionen auch dazu genutzt, um beispielsweise das luxemburgische Handwerk verstärkt zu positionieren.

Für die Regierung steht die Bedeutung des Mittelstandes ausser Frage! Aus dieser Perspektive heraus haben wir das "Haut Comite pour le soutien des PME et de l'entrepreneuriat au Luxembourg" ins Leben gerufen. Dort werden Berufskammern, Verbände und natürlich auch Betriebe und Unternehmen unmittelbar an der Gestaltung der Mittelstandspolitik beteiligt.

d'handwierk: Das Wirtschaftsministerium ist ja auch ein Koordinationsgremium, in dem Sinn dass alle Politikbereiche, die die Unternehmen und ihre Umfelder betreffen für die Wirtschaftspolitik relevant sind. Das Arbeitsdokument zur 4. Auflage des "Plan d'action PME", der neben wirtschaftspolitischen Aspekten auch soziale, arbeitsrechtliche und steuerliche Akzente setzen soll, wurde den Berufsverbänden zugestellt. Ist dieser Aktionsplan als Regierungsdokument zu verstehen, oder eher als Wunschliste, mit dem das Wirtschaftsministerium an andere Ministerien herantreten wird?

Francine Closener: Weder noch. Nach strukturierten Gesprächen mit Unternehmen entstand ein Arbeitsdokument, dessen Ziel es ist, ein breites Bild der möglichen Handlungsfelder zu zeichnen. Dieses Dokument beschreibt 11 verschiedene Themenbereiche und liegt jetzt dem Haut comité vor. Diverse Arbeitsgruppen beschäftigen sich in den nächsten Wochen mit diesen Themen wie z.B. Finanzierungsmöglichkeiten, Rahmenbedingungen, Unternehmergeist und so weiter. Die Ergebnisse dieser Analysen werden dann zwischen den Vertretern des Mittelstandes und dem Wirtschaftsministerium verhandelt und nach Rücksprache mit den Gewerkschaften umgesetzt. Dabei gilt vorrangig das Sicherstellen von nachhaltigem Wachstum als Regierungspriorität. Je nach Bedarf werden auch andere Ministerien in den Aktionsplan mit eingebunden.

d'handwierk: Gerade im Bereich des Unternehmungsgeistes gibt es in Luxemburg einen gewissen Nachholbedarf.

Francine Closener: Der Finanzplatz hat sich über Jahrzehnte dynamisch entwickelt und attraktive Arbeitsplätze angeboten. Das gleiche gilt für den öffentlichen Dienst. Die Wirtschafts-und Finanzkrise hat uns jedoch definitiv die Notwendigkeit einer ökonomischen Diversifizierung vor Augen geführt. In diesem Sinn ist es heute wichtiger denn je, dass auch wieder verstärkt Luxemburger Unternehmen gegründet und/oder übernommen werden. Als Ministerium unterstützen wir konsequent Initiativen, die den Unternehmergeist in unserer Gesellschaft fördern. Doch das allein reicht nicht aus. Wir müssen uns um einen Mentalitätswandel (das Handwerk hat immer noch und immer mehr einen goldenen Boden) bemühen, der bereits in der Grundschule beginnt und über eine qualitative hochwertige Berufsausbildung ins Handwerk führt. Bedauerlicherweise erfüllt die jüngste Reform der Berufsausbildung aus verschiedenen Gründen nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Die Regierung wird zusammen mit den betroffenen Kreisen punktuell nachbessern. In einer längerfristigen Perspektive unterstützen wir die Idee, sektorielle Kompetenzzentren ins Leben zu rufen, wo eine praxisnahe und hochwertige Qualifizierung angeboten werden kann.

d'handwierk: Eine erklärte Regierungspriorität besteht ja darin den Wohnraum zu verbilligen. Wie verträgt sich dieser Anspruch mit der Anhebung der Mehrwertsteuer auf Mietwohnraum?

Francine Closener: Man sollte die Mehrwertsteuer nicht isoliert betrachten. Nicht die niedrige Mehrwertsteuer ist für Investoren ausschlaggebend, sondern die hohe spätere Wertschöpfung. Über die sektoriellen Pläne wird zusätzlicher Wohnraum auf den Markt kommen und die Situation, hoffentlich, entspannen. Zudem bleiben den Investoren immer noch interessante Abschreibungsmöglichkeiten. Die geäusserten Bedenken in Bezug auf die Schwarzarbeit kann ich zum Teil nachvollziehen, die Regierung ist bestrebt, eine Lösung zu finden.

d'handwierk: Nach langen Jahren sind die Bereichspläne nun endlich in der Prozedur. Was bedeutet das für Unternehmen, die eine Niederlassungsmöglichkeit suchen?

Francine Closener: Der Plan sectoriel wirtschaftliche Aktivitätszonen weist zusätzliche 600 Hektar Bauland aus, auf denen sich Unternehmen niederlassen können. Wir favorisieren einen regionalen Ansatz, um z.B. die Verkehrsanbindung zu verbessern und lokalen Wildwuchs zu verhindern. Wir denken zudem darüber nach, dass neben langfristigen Mietverträgen das Bauland auch zum Kauf anzubieten. Wichtig scheint mir zu dem, dass es Betrieben erlaubt sein muss, neben ihren Produktionsstätten ebenfalls den Vertrieb ihrer Produkte an Ort und Stelle organisieren zu können.

d'handwierk: Die Fédération des Artisans unterbreitet der Regierung ja regelmäßig ihre Vorschläge, auch im Bereich der Mittelstandspolitik. Was würden Sie sich im Gegenzug vom Handwerk wünschen?

Francine Closener: Ich wünsche mir einen offenen, ehrlichen und vor allem konstruktiven Dialog um bei so viel wie möglichen Themen Konsens zu erreichen. Freuen würde mich ganz persönlich, sollte es uns gelingen, mehr Frauen für eine selbstständige Karriere im Handwerk zu begeistern.

d'handwierk: Frau Staatssekretärin wir danken für das Gespräch

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